Montag, 6. Januar 2014

Zwei Ringträger auf dem Schicksals-Berg


Annika: Andi und ich hatten uns schon lange auf eine bestimmte Wanderung gefreut: Auf das Tongariro-Alpine-Crossing. Man durchstreift hier nicht nur eindrucksvolle Vulkanlandschaft, sondern hat auch noch die Möglichkeit, den Berg Ngauruhoe, der durch die Herr der Ringe – Filme besser als Mount Doom oder Schicksals-Berg bekannt ist, aus nächster Nähe zu sehen oder sogar zu besteigen.
Noch vor einer Woche hatte ich unter Fieber und anderen Unannehmlichkeiten zu leiden, deshalb überlegten wir uns, wie wir diese große, schwierige Wanderung am besten bewältigen könnten.

Wunderbares Wetter im Tongariro Nationalpark
Normalerweise geht man nämlich von einem Parkplatz aus los und kommt nach ca. 20km bei einem anderen Parkplatz an. Aus diesem Grund muss man sich entweder Morgens vor der Wanderung oder Abends nach der Wanderung von einem Parkplatz zum anderen bringen lassen, was 30 Dollar pro Person kostet. Da man aber nach ca. der Hälfte des Weges die Höhepunkte der Wanderung gesehen hat, beschlossen wir, früh morgens aufzubrechen und bis zu den Gebirgsseen zu laufen, die sehr schön sein sollen. Vielleicht würden wir auch noch den Schicksalsberg besteigen, wenn wir, vor allem ich natürlich, dazu noch genug Kraft haben. Wir würden dann den Weg einfach zurückgehen, könnten uns das Geld sparen und hätten keinen Stress.

Roter Krater, im Hintergrund der Schicksals-Berg
An einem strahlenden Sonntag-Morgen machten wir uns also auf den Weg. Der blaue Himmel versprach, dass es ein wunderschöner Tag werden würde. Am Vorabend hatten wir alles gewissenhaft gepackt und fühlten uns gut ausgerüstet für diese Tour. Da das Alpine-Crossing so bekannt und beliebt ist, spuckten Reisebusse unzählige Touristen aus, die sich alle auf dem Weg drängten. Andi und ich nahmen es mit Humor und Andi bemerkte nach einer Weile: „Es ist wirklich wie in Herr der Ringe. Ganze Ork-Horden sind hinter uns her.“ :)

 
Mondlandschaft
Zu unserer Rechten erhob sich der mächtige Schicksalsberg, hinter welchem die Sonne aufgegangen war, während wir durch ein langes Tal auf einen Gebirgssattel zuliefen. Der erste, richtige Aufstieg war anstrengend, doch wir bewältigten den ersten Teil des Weges sogar etwas schneller, als die Zeittafeln angaben. Wir befanden uns nun am Fuße des Schicksalsberg. Vor uns lag ein riesiger Krater, der an Mondlandschaft erinnerte und den wir überquerten, um zum nächsten Aufstieg zu gelangen.



Emerald Lakes
Durch die wunderschöne Alpinlandschaft motiviert erreichten wir bald den höchsten Punkt des Alpin-Crossings. Wir wurden mit spektakulärer Aussicht belohnt. Hinter uns ragte der Schicksalsberg mit schwarzem und rötlichem Gestein in den Himmel. Rauchschwaden zeugten von seiner Aktivität. Die gelbe Kraterebene, die wir vorher durchquert hatten, befand sich zu seinen Füßen. Wir standen auf dem Kraterrand eines rötlichen Vulkans und vor uns sahen wir die Emerald Lakes, drei wunderschöne Seen, die wir Edelsteine aussehen wegen ihrer blaugrünen Farbe. Ein bisschen weiter weg konnten wir den Blue Lake, einen blauen Kratersee ausmachen, der genau so aussieht, wie man sich einen Kratersee vorstellt.

Höchstzufrieden legten wir eine Pause ein, um unsere Jause zu verzehren und den anderen Wanderern belustigt dabei zuzusehen, wie sie den steilen Weg mit losem Gestein nach unten bewältigten. Fast jeder fand sich nach kürzester Zeit auf seinem Hosenboden wieder.


Gut ausgerüstet?
Es ist überhaupt sehr interessant und auch erstaunlich, was für Leute diese Wanderung auf sich nehmen. Es gibt die ordentlich ausgerüsteten, meist jüngeren Leute, die mit den allseits bekannten Zipphosen, Wanderschuhen und Rucksäcken unterwegs sind. Dazu gehörten wir auch. Es gibt aber auch Touristen, die sich ausstatten, als würden sie den Mount Everest besteigen wollen. Wir denken da zum Beispiel an einen etwas beleibten Inder mit jämmerlicher Stimme, der einen überwältigend schweren Rucksack trug, keine Kosten für seine Ausrüstung gescheut hat und irgendwie genau so lächerlich wirkt, wie die jungen Mädchen in Miniröcken und Stoffschuhen, die sich nicht nur einen furchtbaren Sonnenbrand holen, sondern auch noch bei dem eisigen Wind frieren müssen.
Sie haben den Vorteil, dass sie zumindest am Beginn der Wanderung auf jedem Foto umwerfend aussehen. Tatsächlich sahen wir auch eine hyperventilierende Touristin, die von ihrer Freundin mehr oder weniger den Berg hochgeschoben wurde, sowie andere Leute, die überhaupt keinen Rucksack, geschweige denn eine Jacke oder etwas zu trinken dabei hatten. Es ist uns schleierhaft, wie sie dieses Crossing schaffen und es ist auch überraschend, dass Warnschilder auf dem Weg und mahnende Worte in jedem Reiseführer manche Leute überhaupt nicht zum Nachdenken bringen. Es war wirklich höchstinteressant.

Ein Ring, sie zu knechten,...
Wir hatten um die Mittagszeit die Hälfte des Crossings geschafft und waren guter Dinge. Nun machten wir uns auf den Weg zurück zum Fuße des Schicksals-Berg, wo wir nochmals eine Pause einlegen und uns beraten wollten. Vielleicht haben wir aber auch von Anfang an gewusst, dass wir es auf jeden Fall probieren möchten, den Schicksals-Berg, den auch Frodo und Sam so tapfer bezwungen hatten, zu besteigen.
Es gibt keinen offiziellen Wanderpfad auf diesen Vulkan. Jeder muss sich seinen eigenen Weg suchen, da die steilen Abhänge des Berges lediglich aus losem Geröll bestehen. Dies ist es auch, was den Aufstieg so schwierig macht. Mutig begannen wir das Wagnis.

Andi, der Beherzte
Annika, die Erschöpfte :)
Wir steuerten auf einen Felsgürtel zu, wo große Felsblöcke aus dem Geröll ragten. An diesen Felsen konnten wir uns festhalten und hochziehen, und sie waren einen große Hilfe, vor allem, weil man mit den Füßen ständig wegrutscht. Meist auf allen vieren kämpfte ich mich den steilen Berg hoch, den ich bald in Gedanken als den „gemeinen Berg“ bezeichnete. Es war schwierig, einen guten Weg zu finden, und der Aufstieg war überaus kräftezehrend. Mit zitternden Beinen in der Geröllwand hängend, kein Blick für die wunderbare Aussicht, von eisigem Wind gepeitscht und von den trockenen Felsen an den Händen aufgeschürft, überkam mich dann irgendwann großer Unmut. Warum taten wir uns das an? Ich trug zwar einen Ring und war somit Ringträger, aber meinen Ring wollte ich ja keineswegs in den Krater des Schicksals-Berg schmeißen. Weil die Hänge des Bergs so steil waren, konnten wir nicht abschätzen, wie viel des Weges wir noch zu bewältigen hatten. Andi musste mir gut zureden („wie einem kranken Pferd“ würde Mutter sagen), damit ich mich weiter anstrengte und die Felsen hochzog.


Geschafft!
Hatten am Morgen noch viele Leute den Schicksals-Berg bestiegen, war jetzt kaum noch etwas los. Einige sahen wir in den Geröllfeldern hinunterrutschen. Eine junge Frau, die uns zuvor in Eile überholt hatte, hatte schon aufgegeben und war ebenfalls wieder auf dem Weg nach unten. Weit hinter uns kämpften sich noch 4 weitere Wanderer den Schicksals-Berg hoch, was fast ein wenig beruhigend für mich war.


 
Blick in den Krater des Schicksals-Bergs
Gestein in den verschiedensten Farben sichtbar
Kurz unter dem Kraterrand wurde der Berg plötzlich flacher. Wir legten an einem windgeschützten Plätzchen eine Pause ein, stärkten uns mit Jause und genossen die schöne Aussicht. Wir sahen heiße Dämpfe aus dem Schicksalsberg aufsteigen.
Nun hatten wir genug Kraft für die letzten Meter zum rötlichen Kraterrand. Man war ja beinahe enttäuscht, keine brodelnde Lava im Krater zu sehen, dennoch war die Aussicht über bewaldete Ebenen, Graslandschaft, Seen, Vulkane und Krater atemberaubend, ein fast unwirkliches Farbenspiel. Toll war auch das Gefühl, es endlich geschafft zu haben.

Abstieg bzw. Abrutsch :)
Den Abstieg legte ich vorzugsweiße rutschend in der Hocke zurück, da es unmöglich ist, in den steilen Geröllfeldern zu laufen. Andi entwickelte die Methode, ständig eine kleine Gerölllawine vor sich her zu schieben und auf ihr den Berg hinunter zu rutschen, welche wir beide anwandten.
Völlig verdreckt, aber zufrieden und erleichtert kamen wir unten an. Wir waren über und über mit Staub und Sand bedeckt. In unseren Schuhen, ja sogar in unseren Socken, befanden sich Steine, Sand und Staub, und unsere Haare fühlten sich vom Dreck so hart wie Besenborsten an.

Beeindruckende Bergkulisse
Andi und ich stellen uns nach Wanderungen gerne vor, dass am Rückweg irgendwo ein sehr reicher, älterer Mann steht, der uns einen hohen Betrag anbietet, damit wir unverzüglich wieder auf den Gipfel gehen. Wir diskutieren gerne darüber, für wie viel Geld wir die Anstrengung wieder auf uns nehmen würden. Ich war der Meinung, dass uns der reiche Herr schon die ganze Weltreise bezahlen müsste, damit ich mir den Schicksalsberg nochmals antun würde, und selbst dann nur ungern. Allerdings wartete dieses Mal natürlich keiner der reichen Männer auf uns, die nichts Besseres zu tun haben, als müden Wanderern Geld anzubieten. :)

Blick zurück auf den Berg Ngauruhoe
Gott sei Dank ging es die letzten Stunden zurück zum Parkplatz stets bergab oder eben durch das uns nun beinahe endlos erscheinende Tal. Außer einem netten, älteren Paar war niemand mehr unterwegs und wir konnten die Ruhe genießen. Bald warfen wir einen letzten Blick zurück auf den Vulkan Ngauruhoe, über den nun dicke Wolken gezogen waren und ihn in dunkle Schatten hüllten.





Es war ein im wahrsten Sinne des Wortes
atemberaubender Tag!
Hinter uns lag nun eine ungefähr 20km lange Wanderung, die uns zwar viel Kraft gekostet hat, uns aber auch mit wunderschöner Natur und eindrucksvollen Ausblicken, sowie mit der Gewissheit belohnt hat, dass man mehr schaffen kann, als man sich zuerst zutraut.
 

1 Kommentar:

  1. ich fänd ja einen eigenen film über den "gemeinen berg" toll - mit lava, selbstverständlich! ich bin wahnsinnig neidisch & hätte mich auch gerne an den aufstieg (und vor allem auch den rutschenden abstieg) gewagt - vielleicht klappt das ja irgendwann! :)

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