Annika: Andi und ich hatten uns schon lange auf eine bestimmte Wanderung gefreut: Auf das Tongariro-Alpine-Crossing. Man durchstreift hier nicht nur eindrucksvolle Vulkanlandschaft, sondern hat auch noch die Möglichkeit, den Berg Ngauruhoe, der durch die Herr der Ringe – Filme besser als Mount Doom oder Schicksals-Berg bekannt ist, aus nächster Nähe zu sehen oder sogar zu besteigen.
Noch vor einer Woche hatte ich unter Fieber und anderen
Unannehmlichkeiten zu leiden, deshalb überlegten wir uns, wie wir diese große,
schwierige Wanderung am besten bewältigen könnten.
Wunderbares Wetter im Tongariro Nationalpark |
Normalerweise geht man nämlich von einem Parkplatz aus los
und kommt nach ca. 20km bei einem anderen Parkplatz an. Aus diesem Grund muss
man sich entweder Morgens vor der Wanderung oder Abends nach der Wanderung von
einem Parkplatz zum anderen bringen lassen, was 30 Dollar pro Person kostet. Da
man aber nach ca. der Hälfte des Weges die Höhepunkte der Wanderung gesehen
hat, beschlossen wir, früh morgens aufzubrechen und bis zu den Gebirgsseen zu
laufen, die sehr schön sein sollen. Vielleicht würden wir auch noch den
Schicksalsberg besteigen, wenn wir, vor allem ich natürlich, dazu noch genug
Kraft haben. Wir würden dann den Weg einfach zurückgehen, könnten uns das Geld
sparen und hätten keinen Stress.
Roter Krater, im Hintergrund der Schicksals-Berg |
An einem strahlenden Sonntag-Morgen machten wir uns also
auf den Weg. Der blaue Himmel versprach, dass es ein wunderschöner Tag werden
würde. Am Vorabend hatten wir alles gewissenhaft gepackt und fühlten uns gut
ausgerüstet für diese Tour. Da das Alpine-Crossing so bekannt und beliebt ist,
spuckten Reisebusse unzählige Touristen aus, die sich alle auf dem Weg drängten.
Andi und ich nahmen es mit Humor und Andi bemerkte nach einer Weile: „Es ist
wirklich wie in Herr der Ringe. Ganze Ork-Horden sind hinter uns her.“ :)
Mondlandschaft |
Emerald Lakes |
Höchstzufrieden legten wir eine Pause ein, um unsere
Jause zu verzehren und den anderen Wanderern belustigt dabei zuzusehen, wie sie
den steilen Weg mit losem Gestein nach unten bewältigten. Fast jeder fand sich
nach kürzester Zeit auf seinem Hosenboden wieder.
Gut ausgerüstet? |
Es ist überhaupt sehr interessant und auch erstaunlich,
was für Leute diese Wanderung auf sich nehmen. Es gibt die ordentlich
ausgerüsteten, meist jüngeren Leute, die mit den allseits bekannten Zipphosen, Wanderschuhen
und Rucksäcken unterwegs sind. Dazu gehörten wir auch. Es gibt aber auch
Touristen, die sich ausstatten, als würden sie den Mount Everest besteigen
wollen. Wir denken da zum Beispiel an einen etwas beleibten Inder mit
jämmerlicher Stimme, der einen überwältigend schweren Rucksack trug, keine
Kosten für seine Ausrüstung gescheut hat und irgendwie genau so lächerlich
wirkt, wie die jungen Mädchen in Miniröcken und Stoffschuhen, die sich nicht
nur einen furchtbaren Sonnenbrand holen, sondern auch noch bei dem eisigen Wind
frieren müssen.
Sie haben den Vorteil, dass sie zumindest am Beginn der
Wanderung auf jedem Foto umwerfend aussehen. Tatsächlich sahen wir auch eine
hyperventilierende Touristin, die von ihrer Freundin mehr oder weniger den Berg
hochgeschoben wurde, sowie andere Leute, die überhaupt keinen Rucksack,
geschweige denn eine Jacke oder etwas zu trinken dabei hatten. Es ist uns
schleierhaft, wie sie dieses Crossing schaffen und es ist auch überraschend,
dass Warnschilder auf dem Weg und mahnende Worte in jedem Reiseführer manche
Leute überhaupt nicht zum Nachdenken bringen. Es war wirklich höchstinteressant.
Ein Ring, sie zu knechten,... |
Wir hatten um die Mittagszeit die Hälfte des Crossings
geschafft und waren guter Dinge. Nun machten wir uns auf den Weg zurück zum
Fuße des Schicksals-Berg, wo wir nochmals eine Pause einlegen und uns beraten
wollten. Vielleicht haben wir aber auch von Anfang an gewusst, dass wir es auf
jeden Fall probieren möchten, den Schicksals-Berg, den auch Frodo und Sam so
tapfer bezwungen hatten, zu besteigen.
Es gibt keinen offiziellen Wanderpfad auf diesen Vulkan.
Jeder muss sich seinen eigenen Weg suchen, da die steilen Abhänge des Berges
lediglich aus losem Geröll bestehen. Dies ist es auch, was den Aufstieg so
schwierig macht. Mutig begannen wir das Wagnis.Andi, der Beherzte |
Annika, die Erschöpfte :) |
Wir steuerten auf einen Felsgürtel zu, wo große
Felsblöcke aus dem Geröll ragten. An diesen Felsen konnten wir uns festhalten
und hochziehen, und sie waren einen große Hilfe, vor allem, weil man mit den
Füßen ständig wegrutscht. Meist auf allen vieren kämpfte ich mich den steilen
Berg hoch, den ich bald in Gedanken als den „gemeinen Berg“ bezeichnete. Es war
schwierig, einen guten Weg zu finden, und der Aufstieg war überaus
kräftezehrend. Mit zitternden Beinen in der Geröllwand hängend, kein Blick für
die wunderbare Aussicht, von eisigem Wind gepeitscht und von den trockenen
Felsen an den Händen aufgeschürft, überkam mich dann irgendwann großer Unmut.
Warum taten wir uns das an? Ich trug zwar einen Ring und war somit Ringträger,
aber meinen Ring wollte ich ja keineswegs in den Krater des Schicksals-Berg
schmeißen. Weil die Hänge des Bergs so steil waren, konnten wir nicht
abschätzen, wie viel des Weges wir noch zu bewältigen hatten. Andi musste mir
gut zureden („wie einem kranken Pferd“ würde Mutter sagen), damit ich mich
weiter anstrengte und die Felsen hochzog.
Geschafft! |
Hatten am Morgen noch viele Leute den Schicksals-Berg
bestiegen, war jetzt kaum noch etwas los. Einige sahen wir in den Geröllfeldern
hinunterrutschen. Eine junge Frau, die uns zuvor in Eile überholt hatte, hatte schon
aufgegeben und war ebenfalls wieder auf dem Weg nach unten. Weit hinter uns
kämpften sich noch 4 weitere Wanderer den Schicksals-Berg hoch, was fast ein
wenig beruhigend für mich war.
Blick in den Krater des Schicksals-Bergs Gestein in den verschiedensten Farben sichtbar |
Kurz unter dem Kraterrand wurde der Berg plötzlich
flacher. Wir legten an einem windgeschützten Plätzchen eine Pause ein, stärkten
uns mit Jause und genossen die schöne Aussicht. Wir sahen heiße Dämpfe aus dem
Schicksalsberg aufsteigen.
Nun hatten wir genug Kraft für die letzten Meter zum
rötlichen Kraterrand. Man war ja beinahe enttäuscht, keine brodelnde Lava im
Krater zu sehen, dennoch war die Aussicht über bewaldete Ebenen,
Graslandschaft, Seen, Vulkane und Krater atemberaubend, ein fast unwirkliches
Farbenspiel. Toll war auch das Gefühl, es endlich geschafft zu haben.
Abstieg bzw. Abrutsch :) |
Den Abstieg legte ich vorzugsweiße rutschend in der Hocke
zurück, da es unmöglich ist, in den steilen Geröllfeldern zu laufen. Andi
entwickelte die Methode, ständig eine kleine Gerölllawine vor sich her zu
schieben und auf ihr den Berg hinunter zu rutschen, welche wir beide anwandten.
Völlig verdreckt, aber zufrieden und erleichtert kamen
wir unten an. Wir waren über und über mit Staub und Sand bedeckt. In unseren
Schuhen, ja sogar in unseren Socken, befanden sich Steine, Sand und Staub, und
unsere Haare fühlten sich vom Dreck so hart wie Besenborsten an.
Beeindruckende Bergkulisse |
Andi und ich stellen uns nach Wanderungen gerne vor, dass
am Rückweg irgendwo ein sehr reicher, älterer Mann steht, der uns einen hohen
Betrag anbietet, damit wir unverzüglich wieder auf den Gipfel gehen. Wir
diskutieren gerne darüber, für wie viel Geld wir die Anstrengung wieder auf uns
nehmen würden. Ich war der Meinung, dass uns der reiche Herr schon die ganze
Weltreise bezahlen müsste, damit ich mir den Schicksalsberg nochmals antun
würde, und selbst dann nur ungern. Allerdings wartete dieses Mal natürlich
keiner der reichen Männer auf uns, die nichts Besseres zu tun haben, als müden
Wanderern Geld anzubieten. :)
Blick zurück auf den Berg Ngauruhoe |
Gott sei Dank ging es die letzten Stunden zurück zum
Parkplatz stets bergab oder eben durch das uns nun beinahe endlos erscheinende Tal.
Außer einem netten, älteren Paar war niemand mehr unterwegs und wir konnten die
Ruhe genießen. Bald warfen wir einen letzten Blick zurück auf den Vulkan
Ngauruhoe, über den nun dicke Wolken gezogen waren und ihn in dunkle Schatten
hüllten.
Hinter uns lag nun eine ungefähr 20km lange Wanderung, die
uns zwar viel Kraft gekostet hat, uns aber auch mit wunderschöner Natur und
eindrucksvollen Ausblicken, sowie mit der Gewissheit belohnt hat, dass man mehr
schaffen kann, als man sich zuerst zutraut.
ich fänd ja einen eigenen film über den "gemeinen berg" toll - mit lava, selbstverständlich! ich bin wahnsinnig neidisch & hätte mich auch gerne an den aufstieg (und vor allem auch den rutschenden abstieg) gewagt - vielleicht klappt das ja irgendwann! :)
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